1. Versuch

Es war einmal… Nein, nein, so beginnen ja nur Märchen; genauer gesagt, war es an einem früh ergrauten Novembertag. Für die bürokratisch genauen Bürokraten nur der Hinweis, dass auf dem Kalenderblatt die Zahl Zwei dominierte und mit zwei aneinander gereihten Einsen der Monat demonstrierte, dass das Jahr 2011 sich unaufhaltsam dem Ende näherte.
Doch dieser graue Novembertag wirkte anfangs nicht so grausam wie das Wetter, das unaufhaltsam aus tiefgrauen Wolken Nieselregen und nasskalte Windböen für die wenigen Fußgänger auf der Straße übrig zu haben schien.
Ich war nicht mehr zu Fuß unterwegs. Ich saß neben einer wunderbaren Dame in deren Porsche 911. Sie wirkte etwas hastig, war reich an lustvollen Details, die man auch hätte diskret verstecken können, was mich etwas weniger nervös gemacht hätte, doch das störte die Dame nicht und sie schien auch meine eher seriösen Gedanken nicht zu teilen. Sie redete ununterbrochen auf mich ein und was sie sagte, floss wie Honig in mein eines Ohr. Gut zu verstehen waren die hurtig hervorgestoßenen Worte jedoch nicht. Das mag an dieser heliumverdächtigen Tonlage ihrer Stimme gelegen haben. Genauso könnte aber auch das fehlende Cabrioverdeck des Porsche Verständigungsprobleme produziert haben. Dazu kamen noch der Regen und der abscheuliche Wind, die im Verbund jede Konversation in Stücke rissen und die Entstehung einer die Liebe fördernden Stimmung nicht aufkommen ließen.
Die Dame fuhr einen heißen Reifen und ich war abgekühlt wie ein begossener Pudel…

Nein, nein, so geht das nicht. So kann man keine Liebesgeschichte beginnen.

 

2. Versuch

Der Schnee unter den Kufen knirschte und die Glöckchen am Kummet der dampfenden Pferde sangen eine sanft-zarte Melodie. Der junge Bengel auf dem Kutschbock trieb die Pferde mit Worten und einem meisterlichen Peitschenknall an. Ab und zu flogen Funken unter den Schlittenkufen hervor, wenn in den tiefen Furchen des Fahrweges kleine Steine lagen.
Über uns funkelten die Sterne aus einem klaren Nachtblau. Und ebenso funkelten die Augen der wilden Schönheit, die ihren Kopf zurücklegte, um ihren durch winzige Eiskristalle sichtbar gewordenen Atem in den Nachthimmel zu hauchen. Und wenn sie dann zwischendurch die kalte Winterluft hörbar durch die Nase einzog, öffnete sie ihre purpurroten Lippen, sah mir tief in mein waidwundes Herz und flüsterte Worte vehementer Verführung, die meine Leidenschaft erhöhen müssten, doch statt einem Feuersturm, ergriff mich Schüttelfrost, denn ich hatte meine Medima-Unterwäsche zuhause gelassen…

Oh nein, so geht das natürlich auch nicht.

 

3.Versuch

Das Wetter war novemberlich. Schlimmer noch. Seit Stunden regnete es ununterbrochen. Meine Stimmung war entsprechend im freien Fall. Tiefs soweit ich sehen konnte.
Nun ja, sehen konnte ich nicht einmal gut. Wie gesagt, der Regen! Er war an allem nicht ganz unschuldig… Nur mein kleines japanisches Auto kränkelte nicht an der jährlichen Depression, die zwischen Totensonntag und Volkstrauertag diesen Landstrich, Menschen, Tiere und auch Autos überfällt. Es tanzte zwischen den ungezählten Pfützen, wie ein junges Kerlchen. Überhaupt schien mein Auto den grauen November nicht zu fürchten.
Wir waren auf dem Weg in die nahe Kreisstadt, wo ich noch schnell vor Ladenschluss ein paar Einkäufe tätigen musste.
Es war schon früh dunkel geworden und die Scheibenwischer surrten ein monotones Lied, das meine Stimmung ankratzte. Doch genau in diesem Moment dachte ich an sie, an diese wundervolle Frau, die seit Jahren meine Seele berührt. Und mit dem Gedanken ergriff mich die Sehnsucht noch stärker als sonst. Und so war der Griff zum Handy eine blitzartige Entscheidung. Dank der modernen Technik einer Freisprecheinrichtung kam das Telefonat zustande und sie, die mir zuvor den zarten Befehl „küss mich!“ per SMS zukommen ließ, war nun ganz nah an meinem Ohr und ihre Stimme erreichte mein Herz im Sturm. Die Straße behielt ich noch im Blick, doch in meiner Verträumtheit saß sie längst neben mir und ihre Dominanz war fühlbar, der Hauch ihres Atems berührte mein Ohr, als ihre etwas metallisch tönende Stimme mir zuflüsterte: „Im Moment bin ich in einem therapeutischen Gespräch, doch wenn Sie Ihre Telefonnummer hinterlassen wollen, dann rufe ich Sie so bald wie möglich zurück.“

Was war denn das?
Seit wann siezte sie mich…?

  • Autor Roman RomanoW
  • Art Erzählung
  • Jahr 2011